Daten zur Geschichte

1.            Zusammenfassung

Die Garde-Dragoner-Kaserne am Mehringdamm *1 steht nach dem Landesdenkmalschutzgesetz von Berlin als Denkmalbereich *2 unter Schutz *3. Die Initiative dragoner-denkmal-moderne *4 setzt sich für Denkmalschutz der einstigen Kasernenanlage ein *5.

Den Anlass zur Gründung der Initiative bildete die geplante Umstrukturierung des einstigen Kasernengeländes sowie die Errichtung von Neubauten auf dem Gelände unter der Leitung des Bezirkes Kreuzberg-Friedrichshain *6.

Die Initiative erwartet, dass die Kulturgeschichte der Kaserne zukünftig durch ein zeitgemäßes Informationssystem vermittelt wird. Sie hofft auf eine Anbringung einer offiziellen Informationstafel zum Thema Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus, wie sie im Denkmalpflegeplan des Landesdenkmalamtes Berlins empfohlen wird *7.

2.            Geschichte der Garde-Dragoner-Kaserne 

2.1.        Militärische und zivile Nutzung

Die Kaserne befindet sich am Mehringdamm in Höhe des gleichnamigen U-Bahnhofes. Sie wurde um 1850 für Soldaten errichtet, die mit Pferden in den Krieg zogen. Die Kasernenanlage besteht aus der Mannschaftsunterkunft für 500 Soldaten, einem langgesteckten Gebäude am Mehringdamm und Stallgebäuden auf dem weiträumigen Hof für fast 700 Pferde *8.

Mannschaftsunterkunft
Kopfgebäude der Pferdeställe

Die militärische Nutzung der Kaserne endete im Jahre 1921. In den 1920er Jahren wurde das Gelände geteilt. Die Mannschaftsunterkunft dient seit 1923 als Verwaltungsstandort (Finanzamt Kreuzberg) *9. Das übrige Gelände mietete der Kohlenhändler Hans Engels an und entwickelte es in den 1920er Jahren mit seinem Unternehmen der „Translag“ zu einem bedeutenden Standort der Automobilität in Berlin *10. Die Stallungen wurden zu Garagen und Werkstätten umgebaut und Neubauten errichtet wie die Adler-Halle auf dem einstigen Exerzierplatz *11.

Adler-Halle

An der Obentrautstraße entstand 1930 eine Autowaschhalle verbunden mit einer Tankstelle *12. Sie stammt von dem Architekten Heinrich Kosina und wird heute von der LPG genutzt.

Tankstelle/Waschhalle, Heinrich Kosina

An der Ecke Mehrigdamm und Obentrautstraße entstand 1927 das Rheinlandhaus von Heinrich Kosina und Ludwig Hilberseimer.

Rheinlandhaus vor dem Einzug der Adler-Werke
Rheinlanhaus, Lichtarchitektur Heinrich Kosina

2.2.        Nationalsozialismus; Zweiter Weltkrieg, und Zwangsarbeit

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges diente das Gelände der Rüstungsproduktion *13. Verschiedene Firmen, die auf dem Gelände tätig waren, setzten Zwangsarbeiter ein. *14 Das Automobilunternehmen Adler nutzte die Alte Reithalle und die Adler-Halle zur Instandsetzung von gepanzerten Fahrzeugen *15. Adler richtete eine Unterkunft für Zwangsarbeiter:innen auf dem Kasernengelände ein *16.

2.3.        Vom Ende des Zweiten Weltkrieg bis ins Jahr 2010

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Einteilung Berlins durch die Alliierten in Sektoren befand sich das Gelände im amerikanischen Sektor. Seit der Teilung der Stadt in Ost- und West-Berlin im Jahre 1948 gehört die Kasernenanlage zu West-Berlin.

Die Mannschaftsunterkunft kam in den Besitz des Landes (West-) Berlin und diente weiterhin als Finanzamt. Das Kasernengelände ging in den Besitz des Bundes über. Hans Engels nutzte das Gelände mit seinem Unternehmen der Translag weiter.

Briefpapier der Translag, 1950er Jahre

Durch die Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins im Jahre 1990 änderte sich an den Eigentumsverhältnissen und der Nutzung des Geländes nichts.

In den 1990er Jahren setzte der Autohersteller Toyota, in Zusammenarbeit mit der Translag, verschiedene Gebäude im südlichen Reiterhof für eine Nutzung als Werkstätten und Verkaufsräume instand. Dabei ist eine, für die damalige Zeit typische, postmoderne Gestaltung zu erkennen.

Quergebäude in südlichen Reiterhof, Instand gestzt 1990er Jahre
Südlicher Stallfügel, Instad gesetzt für ein Autohaus 1990er Jahre Zustand 2028, (heute verändert)

2.4.        Aktuelle Entwicklungen

Im Jahre 2010 meldete die Translag Insolvenz an. Durch ein Tauschgeschäft zwischen dem Bund und dem Land Berlin kam auch das Kasernengelände in den Besitz des Landes Berlin. Im Gegenzug gab das Land Berlin das Haus der Kulturen der Welt, das Jüdische Museum, die Akademie der Künste und den Martin-Gropius-Bau an den Bund ab *17. Unter dem 2016 eingerichtete Sanierungsgebiet Rathausblock wurde unter dem Namen „Dragonerareal“ eine Umstrukturierung des Geländes und die Errichtung von Neubauten geplant. Die Planung erfolgte unter der Leitung des Bezirksamtes Kreuzberg-Friedrichshain *18.

Zu Beginn des Planungsverfahrens war zu erkennen, dass es zu wesentlichen Veränderungen auf dem unter Denkmalschutz stehenden Kasernengeländes und der unter Schutz stehenden Bauwerke kommen würde *19.

Im Rahmen der Bürgerbeteiligung ist von der Initiative Anfang 2018 das frühzeitige Erstellen eines Denkmalpflegeplans gefordert worden *20. Eine weitere Forderung war, dass zukünftig angemessen an die Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus auf dem Gelände der Garde-Dragoner-Kaserne erinnert wird *21.

Der Denkmalpflegeplan ist im Jahre 2018 vom Landesdenkmalamt Berlin in Auftrag gegeben und ein Jahr später veröffentlicht worden *22. In Bezug auf die Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus wird im Denkmalpflegeplan die Anbringung einer Informationstafel empfohlen *23. Eine Arbeitsgruppe enthüllte am 24. März 2022 eine provisorische Informationstafel an der Alten Reithalle.

Derzeitige Planung

Im Sommer 2022 erfolgte die Vorstellung eines überarbeiteten städtebaulichen Entwurfs. Sollte dieser Entwurf umgesetzt werden so ist zu befürchten, dass die Denkmalanlage unwiederbringlich zerstört wird und die Unterschutzstellung als Denkmalbereich (Gesamtanlage) aufgehoben werden muss. 

Der Grund, es sollen großflächige und im Verhältnis zum aktuellen Bestand hohe Baukörper errichtet werden. Diese könnten die historischen Strukturen (Reiterhöfe und Blickachsen) verstellen werden. Die geplanten Neubauten könnten mit ihrer Höhe, von 5 bis 16 Stockwerken das Gelände dominieren. So könnte der historische Bestand als unzusammenhängend in ein Neubaugebiet eingefügt erscheinen. (siehe hier den Eintrag in die „Rote Liste“ des KulturerbeNetzes-Berlin) Nach den derzeitigen Planungen sollen konstitutive Teile der Kasernenanlage und bedeutende Zeugnisse der Automobilität zum Teil abgerissen werden. Der Umgang mit erhaltenen Zeugnissen der Zeit des Nationalsozialismus und der NS-Zwangsarbeit ist nach wie vor  unklar.

Seit Herbst 2022 wurden erste bauvorbereitenden Maßnahmen im Bereich des südlichen Reiterhofes umgesetzt, u. a. der Abriss von Gebäuden sowie archäologische Grabungen am Standort des im Zweiten Weltkrieges zerstörten südlichen Stallflügels. Die Standards, welche für archäologische Grabungen gelten, wurden nicht in vollem Umfang umgesetzt. Es ist zu befürchten, dass sich dies auch bei weiteren Grabungen fortsetzt.

Im Dezember 2022 wurde das Sanierungsgebiet durch das Berliner Verwaltungsgericht aufgehoben. Es soll nun versucht werden die Planungen durch ein anderes Programm der Städtebauförderung umzusetzen.

(aktualisiert Juni 2023)

3. Quellen/Anmerkungen

*1 Die Kasernenanlage befindet sich im Hof der Straßenzüge von Mehringdamm, Obentraut-, Großbeeren- und Yorckstraße

*2 https://fbinter.stadt-berlin.de/fb/index.jsp?loginkey=zoomToMapById&mapId=denkmal@senstadt&Id=FLD_09031098,T

*3 https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/liste-karte-datenbank/denkmaldatenbank/daobj.php?obj_dok_nr=09031098

*4 Die Initiative hatte sich im Jahre 2017 unter dem Namen „Initiative Denkmal-Dragoner-Areal“ gegründet und im Sommer 2021 ihren Namen sowie ihre Internetseite in „dragoner-denkmal-moderne“ geändert.

*5 „Zum Schutz auch dieses kulturellen Erbes braucht es, vor einer politischen Entscheidung (Eigentümer- und Beteiligungsstruktur) eine fachliche Entscheidung in Form eines Denkmalschutzgutachtens und eines Denkmalpflegeplans“. Eberhard Elfert, Auto (Mobilität) – Das Areal und die mobile Moderne, In: Bericht Zeitgeschichtliches Symposium 1850-2017 zum Dragonerareal im Sanierungsgebiet Rathausblock 13. und 14. April 2018 Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Hrsg.: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Stadtentwicklungsamt, Stand August 2018; S: 38, 39

*6 Vorbereitende Untersuchungen gemäß § 141 BauGB für das Untersuchungsgebiet Rathausblock/Ruhlsdorfer Straße in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Schlussbericht Juni 2016 / siehe Plan S. 106, Im Jahre 2016 wurde der von den Straßenzügen von Mehringdamm, Obentraut-, Grossbeeren- und Yorckstraße umschlossene Block zum Sanierungsgebiet „Rathausblock“ erklärt.

https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadterneuerung/de/rathausblock/

*7 Ehemalige Reithalle Dragoner Areal, Bauhistorische Betrachtungen zur Verortung des NS-Zwangsarbeiterlagers der Adler-Werke in der Belle-Alliance-Straße 6, in: Dragonerareal Kreuzberg Denkmalpflegeplan Dragonerareal; Hrsg.: Landesdenkmalamt Berlin 2020, (im weiteren DPD), Seite 163, https://www.berlin.de/rathausblock-fk/themen/geschichte-und-denkmalpflege/artikel.999639.php

*8 Anm. 7, DPD, S. 19 –  *9 Anm. 7, DPD, S. 55- *10 Anm. 7, DPD, S. 55 – *11 Anm. 7, DPD, S. 79

*12 Anm. 7, DPD, S. 85 – *13 Anm. 7, DPD, S. 91 – *14 Anm. 7, DPD, S. 95 *15 Anm. 7, DPD, S. 94, 95

*16 Anm. 7, DPD, S. 94, 95

*17 „Dragoner-Areal in Kreuzberg, Tausche Kultur gegen Wohnen“, Tagesspiegel 04.06.2019

*18 Vorbereitende Untersuchung, Anm. 6

*19 Vorbereitende Untersuchung, Anm. 6, in der Vorbereitenden Untersuchung wurde der Abriss folgender unter Denkmalschutz stehender Gebäude vorgeschlagen: südlicher Kühlstall, erhaltene Reste des nördlichen Kühlstalles, die Beschlagschmiede, die Garagenanlage aus den 1920er Jahren im westlichen Hof, die Adler-Halle, (Siehe Plan Seite 106)

*20 Anm. 5

*21 Die Zwangsarbeit auf dem Gelände der einstigen Garde-Dragoner-Kaserne wurde erstmalig von Bernhard Bremberger dargestellt, Bernhard Bremberger, Im Schatten des Rathauses. Zwangsarbeit auf dem Dragonerareal, in: Bericht Zeitgeschichtliches Symposium 1850-2017 zum Dragonerareal im Sanierungsgebiet Rathausblock 13. und 14. April 2018 Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Hrsg.: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Stadtentwicklungsamt, Stand August 2018; S. 40

*22 Anm. 7

*23 Anm. 7